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Hanse Sail 2018

Kraftpaket zieht Schiffe rein

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Kapitän Ronald Strecker (von links), Maschinist Veit Guhr und Bootsmann Roland Storm kontrollieren das Ankerspill „ihres“ Schiffes. FOTO: DIETMAR LILIENTHAL

Schlepper-Flotte ist auf den Meeren dieser Welt unterwegs

Von Cora Meyer  Rostock. Sanft schaukelt die „Fairplay VI“ auf der Warnow am Anlieger in Groß Klein. Die Fähnchen wehen leicht im Wind, die Möwenkreischen. Geduckt liegt der Schlepper im warmen Sonnenschein. Aber die Idylle täuscht. Wenn die „Fairplay VI“ loslegt, kommen die ganz großen Schiffe in Fahrt.Das kleine Kraftpaket zieht mit 41 Tonnen Kraft Schiffe von mindestens 200 Tonnen - und am Donnerstag auch den Großsegler „Kruzenshtern“.Schiffe im SchlepptauGegen sieben Uhr morgens geht es los. Die „Fairplay VI“ holt das russische Schiff, das zur 28. Hanse Sail nach Rostock kommt, am Molenkopf in Warnemünde ab. Dann nimmt sie ihn in Schlepptau und zieht ihn bis an den Liegeplatz an der Werft. Etwa eine Stunde dauert die Fahrt, für knapp 3000 Meter. „Das muss man schon ein wenig mit Gefühl machen“, erklärt Kapitän Ronald Strecker. „Sonst reißt man den Poller ab.“ Mit maximal fünf Tonnen darf die „Kruzenshtern“ geschleppt werden. So viel Feingefühl müssen Kapitän Ronald Strecker, Bootsmann Roland Storm und Maschinist Veit Guhr bei ihrer Arbeit nicht oft an den Tag legen.

Der Schlepper „Fairplay VI“ bringt große Segler an ihren Liegeplatz

"Bei so einem großen Segelschiff braucht man Fingerspitzengefühl."

Ronald Strecker Kapitän

„Wir schleppen, was uns die Reederei zuweist,“ sagt der Kapitän, der seit fast 40 Jahren auf Schleppern fährt. In der Regel sind das Lastschiffe, beladen mit Öl oder Getreide. Dass sie am Donnerstag einen Großsegler in Schlepptau nehmen, wissen die drei erst seit einigen Tagen. „Jede Woche gibt es einen neuen Plan, und dann wissen wir, was zu tun ist.“ Dass sie das Volksfest Hanse Sail verpassen, stört die Männer nicht. Und auch die angereisten Segler beeindrucken sie wenig. „Wir kennen das alles,“ sagt Ronald Strecker gelassen.

Immer im Dienst


Denn während andere feiern, schieben die Männer von der „Fairplay VI“ Dienst. Drei Wochen lang, 24 Stunden in Bereitschaft, immer an Bord. Geschlafen wird, wenn die Arbeit es zulässt. „Wenn nachts ein Notfall kommt, dann eben erst um 4 Uhr morgens." Vorgeschrieben ist eine Ruhezeit von sechs Stunden.

Die Männer haben sich auf der „Fairplay VI“ eingerichtet. „Wir haben alles an Bord, was wir brauchen: Fernseher, Einzelkoje, Waschmaschine.“ Lebensmittel lässt die Reederei an Bord bringen. Auf dem Gang stehen eine große Kiste Kartoffeln und ein Karton mit Brot. Die Kombüse ist blitzsauber. In der angeschlossenen Essecke liegen frische Weintrauben. Es ist fast wie zu Hause. „Außer im Sommer haben wir immer 14 Tage Dienst und 14 Tage frei.“

Die verbringen die Männer dann bei ihren Familien. Der Kapitän in Stralsund, Bootsmann und Maschinist in Rostock. „Unsere Frauen sind darauf eingestellt, die kennen es nicht anders,“ sagt Bootsmann Roland Storm. „Und die sind dann auch ganz froh, wenn wir wieder weg sind.“ Außerdem, fügt Ronald Strecker mit einem Augenzwinkern hinzu: „Das hält die Liebe frisch“. Die Lieben seiner Rostocker Kollegen schauen ab und an mal auf dem Schlepper vorbei. Und vermutlich auch auf der Festmeile am Stadthafen. Die Familie des Kapitäns bleibt in Stralsund. „Für die wäre der Aufwand zu groß.“ So kann er sich vollständig auf seine Arbeit konzentrieren.

Schleppen ist Teamarbeit

Ab einer bestimmten Schiffsgröße braucht jede Besatzung die Hilfe eines Schleppers. Die „Fairplay“- Crew arbeitet dabei eng mit dem Lotsen zusammen. Der geht an Bord des geschleppten Schiffes. „Vonda hat er einen besseren Überblick“, sagt Maschinist Veit Guhr. Er fährt die „Fairplay VI“. Am Heck des Schiffes steht Bootsmann Roland Storm. Er bedient eine Winde, über die das Schleppseil läuft. Je nach Fahrtrichtung und Geschwindigkeit gibt er dem geschleppten Schiff mehr oder weniger Seil, damit es bei der Anfahrt an den Anlieger die gewünschte Richtung hält. Und natürlich auch bei der Abfahrt.

Am Sonntag endet die Hanse Sail. Dann verlassen die Segelschiffe die Hansestadt Rostock wieder. Und wieder werden die „Großen“ dafür Unterstützung durch einen kräftigen kleinen Schlepper brauchen. Ob das allerdings wieder die „Fairplay VI“ sein wird, „das werden wir dann sehen,“ sagt Kapitän Ronald Strecker.

Schlepper-Flotte ist auf den Meeren dieser Welt unterwegs

Die „Fairplay VI“ hat 3060 Pferdestärken und zieht mit einer Kraft von 41 Tonnen. Sie gehört als Traktorschlepper zur Flotte der Fairplay Schleppdampfschifffahrts-Reederei Richard Borchard. Die Schiffe des Unternehmens sind nicht nur in Häfen, sondern auch vor der Küste und auf hoher See im Einsatz. Sie sind aber auch bei der Bergung und im Küstenschutz aktiv. Die Zentrale der Schlepper ist in Hamburg.Weitere Büros betreibt das Unternehmen aber unter anderem in Rotterdam, Antwerpen und Stettin.

„Crews merken, ob du dafür brennst“

Marianne Dietrich lebt für die Hanse Sail

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Marianne Dietrich lebt seit über 20 Jahren für die Sail. Foto: privat

Rostock. Dass Marianne Dietrich gebürtig aus Sachsen kommt, hört man heute kaum noch. Schließlich ist Rostock seit nun mehr 36 Jahren ihre Heimat. Damals wegen der gesunden Luft an die Küste gezogen, hinterließ die agile Mittsechzigerin bis heute vielerorts eine bleibende Handschrift, sowohl als leidenschaftliche Pädagogin für Russisch/Deutsch und Schwedisch, aber vor allem als zunächst Mitglied und dann Mitglied des Vorstandes des HanseSail Vereins. Unter anderem liegen die Akquise und Einweisung von Betreuern für Schiffe und die Bereiche Vertrieb und Kultur in den Händen der leidenschaftlichen Hobbyfotografin.

Die Hanse Sail begleitet das Leben der Ehefrau, Mutter und Großmama seit Mitte der 90er Jahre. Und nicht nur ihres. Die gesamte Familie ist mit dem Sail-Virus infiziert. Ehemann Gerhard und Tochter Steffi sind seit Jahren eng ins Ehrenamt mit einbezogen. Für diese Veranstaltung nehmen sie extra Urlaub.

Zunächst half sie bei Veranstaltungen, Ende der 90er Jahre entbrannte ihre Leidenschaft für Schiffsbetreuung. „Wenn man das einmal mitgemacht hat, macht man es auch ein zweites Mal“, gesteht sie. Zunächst waren es viele kleine Schiffe, bis schließlich die „Brigg Gerda“ aus Gävle kam, ein schwedischer Zweimaster. „Wie für mich gemacht...“, erinnert sich die Schwedischlehrerin gern.

„Schiffsbetreuer heißt, 24 Stunden für die Crew erreichbar und da zu sein. Ich will, dass sich die Schiffe auf mich verlassen können“, so Marianne Dietrich.

Und das werden sie mit Sicherheit auch in diesem Jahr tun können ... Kerstin Rathje-Wesselow