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Grundsteinlegung für 6000 Wohnungen

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Am 26. August 1964 wurde der Grundstein für den ersten Block an der Willi-Bredel-Straße gelegt. Foto: Herbert Ewe

Von Andreas Neumerkel STRALSUND. Die „Kameltränke“, „8. März“, „Tempel“, „Bierbar“, „Stadt Stralsund“... Viele Stralsunder wissen sofort, was sich hinter diesen Namen verbirgt und zu welchem Stadtteil sie gehören: Knieper West, das größte Wohngebiet der Stadt, das zwischen Zentralfriedhof und Stadtwald von 1964 bis 1981 aus dem Boden gestampft wurde.Marianne Vicent war eine der ersten Bewohnerinnen des Stadtteils. Mitte 1965 zog sie mit ihrer noch kleinen Familie in die Willi-Bredel-Straße 11 (heute Hermann-Burmeister-Straße).Axel Schramm verbrachte in Knieper West seine Jugend. „Kameltränke, der Tempel oder der Havanna-Club. Irgendwo war immer was los. Für Heranwachsende damals eine tolle Sache.“

Stralsunds größtes Stadtviertel ist bis heute Heimat für rund 13 000 Stralsunder

Nur vier Tage nach der Montage der letzten Wohnungseinheit in Knieper Nord wurde am 26. August 1964 der Grundstein für Knieper West gelegt. Oberbürgermeister Siegfried Priewe und Stadtbaudirektor Rudolf Mau versenkten eine rote Kapsel im Fundament des ersten Wohnblocks an der Willi-Bredel-Straße. In dem Behälter befanden sich unter anderem der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zum Bau des Viertels, die aktuelle OSTSEE-ZEITUNG sowie einige Münzen. In der Gründungsurkunde hieß es: „Das Neubaugebiet Knieper West, dessen Grundsteinlegung am heutigen Tage durchgeführt wird, wird 6102 Wohnungseinheiten umfassen. Das gesamte Baugebiet gliedert sich in drei Wohnkomplexe.

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Der Heinrich-Heine-Ring ist die Hauptverkehrsader in Knieper West. Foto: Harry Hardenberg

Anfang April 1965 konnten die ersten Wohnungen an die Mieter übergeben werden. Im Mai war der zweite Wohnblock fertiggestellt, weitere sechs Fünfgeschosser folgten bis Ende des Jahres 1965.

Die Wohnungsnot war in Stralsund zu jener Zeit groß. 5000 Familien oder Ledige standen auf der Warteliste für angemessenen Wohnraum. Deshalb war das Interesse der Stralsunder am neuen Stadtteil sehr groß. Anfang Juni 1965 fand eine Besichtigung der neuen Bauten statt. Viele Stralsunder nahmen diese Gelegenheit wahr, einige erschienen sogar mit Zollstock und Zeichenblock. Im dritten Block nahmen die Besucher die Qualität selbst unter die Lupe.

Probleme gab es in der ersten Zeit mit der Wärmeversorgung der neuen Blöcke. Zwei Dampflokomotiven wurden vom Bahnhof nach Knieper West transportiert, die bis zur Fertigstellung des Heizwerkes die Wärmeversorgung sicherten. Das Heizwerk mit seinem 130 Meter hohen Schornstein ging am 1. Oktober 1967 in Betrieb.

Wie schon in Knieper Nord hielt auch in Knieper West die Errichtung von Versorgungseinrichtungen mit dem Wohnungsbau nicht Schritt. Zunächst erfolgte eine Versorgung mit Lebensmitteln über die Kulturbaracke der Bauarbeiter. Dann wurde ein Versorgungscontainer aufgestellt, mit dem das Problem aber auch nicht gelöst werden konnte. Deswegen verlangten die Verantwortlichen der AWG Volkswerft, einen der Garagenkomplexe für den Ausbau einer Verkaufshalle zur Verfügung zu stellen. Am 13. September 1966 öffneten sich die Türen dieser neuen Verkaufseinrichtung an der F.-C. -Weiskopf-Straße (heute Hans-Fallada-Straße). 1970 richtete man dort eine Schülergaststätte ein, die alsbald im Volksmund „Kameltränke“ hieß.

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Knieper West I: Eröffnung der Kaufhalle „8. März" am 8. März 1969. Foto: Harry Hardenberg

Der Internationale Frauentag (8. März) 1969 war für die Bewohner des neuen Stadtteils ein besonderer Tag. Das lang ersehnte Einkaufszentrum wurde von Oberbürgermeister Heinz Lesener eröffnet und hieß fortan „8. März“.

Seit dem 28. Februar hatten viele Mitarbeiter die Warenträger und Kühltruhen mit etwa 2000 Artikeln bestückt. Die Kaufhalle, die die größte und modernste der drei DDR-Nordbezirke war, verfügte über einen täglichen Warenbestand im Wert von 800 000 Mark. Zum Angebot gehörten neben Lebensmitteln auch Schreibwaren, Kurzwaren, Babyartikel, Spielwaren sowie alle Kleinigkeiten für Küche und Haushalt. Zur Eröffnung erschienen sogar Bewohner der umliegenden Kreise. Die Verkaufseinrichtung hat die Jahre nach der Wende überlebt und gehört heute zur Kette „Markant“. Die anderen Kaufhallen von Knieper West, „Für Dich“ und „Ventspils“, sind dagegen nach der Wende geschlossen worden. „Für Dich“ versorgte seit 1978 die Bewohner von Knieper West III mit Lebensmitteln und steht als Ruine immer noch. „Ventspils“ wurde 2005 abgerissen.

Am 6. November 1978 wurde ein großer Gesellschaftsbau eingeweiht. Zu ihm gehörten das Restaurant „Stadt Stralsund“, ein Café, eine Bierbar, eine Eisdiele, eine Kinderbibliothek und ein Klubraum für die Arbeit der Wohnausschüsse. Zu diesem Komplex zählte ebenso eine Schülergaststätte mit 350 Plätzen, die auch als Veranstaltungssaal genutzt werden konnte und von den Jugendlichen den Namen „Tempel“ erhielt. Das Neubaugebiet Knieper West, dessen Grundsteinlegung vor nunmehr 65 Jahren durchgeführt wurde, umfasst 6102 Wohnungseinheiten. Das gesamte Baugebiet gliedert sich in drei Wohnkomplexe.