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Familie & Gesundheit

Generation Rücksichtslos – die Defizite Heranwachsender

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Ein Drittel aller Jugendlichen hat keinen Gemeinschaftssinn. 17 Prozent der Mädchen und 27 Prozent der Jungen weisen im Kindesalter nur einen gering ausgeprägten Gemeinschaftssinn auf. Foto: Bayer Vital GmbH

Gemeinschaftssinn ist einer der tragenden Pfeiler unserer Gesellschaft. Zu seinen Grundlagen gehören Kompetenzen wie Empathie, Solidarität, Respekt, Hilfsbereitschaft und soziale Integration. Diese Grundlagen werden größtenteils in der Kindheit und der frühen Jugend erfahren und erlernt. Doch wie steht es um den Gemeinschaftssinn der heranwachsenden nächsten Generation?Diese Frage steht im Mittelpunkt der aktuellen Studie, die von der Universität Bielefeld im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung durchgeführt wurde. Der Sozialpädagoge Prof. Dr. Holger Ziegler hat untersucht, wie Kinder (6 bis 11 Jahre) und Jugendliche (12 bis 16 Jahre) mit verschiedenen Aspekten des Gemeinschaftssinns, wie Empathie und Solidarität, aber auch mit Gleichgültigkeit und der Abwertung von Schwächeren umgehen.

Aktuelle Studie belegt: Ein Drittel aller Jugendlichen hat keinen Gemeinschaftssinn mehr

Das Ergebnis zeigt, dass die heutigen Heranwachsenden zu einem großen Teil über einen positiven Sinn für das menschliche Miteinander verfügen. Allerdings haben 22 Prozent der befragten Kinder hier bedenkliche Defizite. Bei den Jugendlichen fällt sogar ein Drittel (33 Prozent) durch unterdurchschnittlich entwickelten Gemeinschaftssinn auf. „Wir haben vergleichend das Gefühlsleben sowie den Gefühlshaushalt von Kindern und Jugendlichen in Deutschland betrachtet – und deren Auswirkungen auf den Gemeinschaftssinn“, so Studienleiter Prof. Dr. Holger Ziegler. „Dabei orientiert sich unsere Untersuchung an der Definition von Gemeinschaftssinn als einem Gefühl des Wohlwollens und der Sympathie gegenüber Menschen in einer Gemeinschaft – unabhängig von Unterschieden in Religion, Nationalität oder sozioökonomischem Status. Hinzu kommt die Anerkennung der moralischen Gleichwertigkeit der Ansprüche anderer. Wenn Jugendliche hier Defizite entwickeln und diese weitertragen, kann sich das verheerend auf das gesellschaftliche Klima auswirken.“

Mädchen, die Retter des Gemeinwohls

Eine bemerkenswerte Erkenntnis aus der Studie ist die Tatsache, dass in beiden untersuchten Altersgruppen die Mädchen durchweg einen besseren Sinn für das soziale Miteinander aufweisen. Die positiven Aspekte des Gemeinschaftssinns von Jungen liegen bereits von Kindesalter an in einer Schieflage. Wie stark dieser soziale Vorsprung ist, zeigt sich, wenn man die für die Studie untersuchten Einzelaspekte von Gemeinschaftssinn näher betrachtet.

"Kinder und Jugendliche, die in einem belasteten Umfeld aufwachsen, lernen möglicherweise das gesellschaftliche Wertesystem nicht kennen, können weder adäquat an ihm teilhaben noch es selbst in ihrem jetzigen und späteren Leben anwenden."

Bernd Siggelkow,
Gründer des Kinder- und Jugendhilfswerks „Die Arche“

Empathie eine weibliche Eigenschaft?

Empathie, also Mitgefühl für andere zu haben, sich in ihre Lage versetzen zu können, ist eine Grundbedingung für das Gelingen eines gemeinschaftlichen Zusammenlebens. Inwieweit dies bei den befragten Kindern zutrifft, wurde mit Aussagen wie „Es macht mich traurig, wenn es anderen Kindern schlecht geht“ oder „Wenn ein anderes Kind traurig ist, versuche ich, es zu trösten“ erfragt. Ein Fünftel der befragten Kinder (21 Prozent) zeigt hier nur ein geringes Empathievermögen. Auffällig ist, dass die Jungen im Vergleich zu den Mädchen deutlich schlechter abschneiden (30 Prozent zu 12 Prozent). 49 Prozent der befragten Kinder zeigen jedoch starke Empathie. Dabei haben 61 Prozent der Mädchen und nur 37 Prozent der Jungen überdurchschnittliches Mitgefühl.

Bei den Jugendlichen ist das Bild noch deutlicher: Über die Hälfte (54 Prozent) der befragten Jugendlichen reagieren auf Aussagen wie: „Es nimmt mich mit, wenn ich sehe, dass ein Tier verletzt wird“ oder: „Es macht mich traurig, ein Mädchen/einen Jungen zu sehen, das/der niemanden zum Spielen findet“ nur unterdurchschnittlich empathisch – 76 Prozent der männlichen Jugendlichen und nur 31 Prozent der weiblichen Jugendlichen finden sich hier. Im Gegenzug zeigen zwei von drei Mädchen (69 Prozent) – aber nur einer von vier Jungen (24 Prozent) – starkes Mitgefühl. Über die gesamten Altersklassen von 6 bis 16 Jahren zeigen sich in der Tendenz bei den Mädchen stetig steigende, bei den Jungen stetig sinkende Empathiewerte.

„Selber schuld“ statt Hilfestellung

Fast drei Viertel aller befragten Kinder (70 Prozent) sind zumindest teilweise gleichgültig gegenüber Leidtragenden und haben für deren Problemlagen lediglich ein „selber schuld“ übrig. ots

INFOS: www.kinderförderung.bepanthen.de