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Es sind nur ein paar Handgriffe notwendig, um Leben zu retten“

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Gernot Rücker demonstriert Wiederbelebung mithilfe eines Defibrillators. Foto: Frank Burger

Von Frank Burger Es kann überall passieren. Zu jeder Zeit. Ein Kollege, ein Mitschüler, ein Familienmitglied kippt einfach um und liegt scheinbar leblos am Boden. Was tun?„Es ist jetzt ganz wichtig, sofort lebensrettende Maßnahmen durchzuführen“, sagt Gernot Rücker, ärztlicher Leiter der RoSaNa (Rostocker Simulationsanlage und Notfallausbildungszentrum) der Universitätsmedizin Rostock. „Die Überlebenschancen sinken pro Minute um zehn Prozent, wenn keine Wiederbelebungsmaßnahmen eingeleitet werden“, fügt er hinzu.Löst dieser Moment Panik aus? Hemmt die Angst, etwas falsch zu machen? „In einer solchen Situation muss niemand Angst haben. Es sind nur ein paar Handgriffe notwendig, um Leben zu retten“, erklärt Gernot Rücker. Der 53-Jährige benennt drei wichtige Punkte, die jeder kennen und anwenden sollte: Wiederbelebung, Blutstillung und das Wählen des Notrufes. „Blutstillung erklärt sich von alleine. Zum Wählen des Notrufes sollte jeder in der Lage sein und die 112 als wichtige Nummer kennen“, meint der Rostocker Uni-Arzt. Bleibt die Wiederbelebung: Prüfen des Zustandes des Verunfallten, Notrufnummer wählen und Herzdruckmassage/Beatmen („Prüfen, rufen, drücken!“).

Wiederbelebung, Blutstillung und den Notruf wählen: Gernot Rücker, ärztlicher Leiter des Rostocker Notfallausbildungszentrums der Unimedizin, erklärt, worauf es ankommt


In solch einer Situation hilft auch ein Defibrillator. Aber verunsichert dieses Gerät nicht noch mehr? Kann ein Laie damit umgehen? Wo sind solche Defis zu finden? „Man braucht gar nicht auf das Gerät geschult zu werden. Ich kann ihnen die Angst nehmen. Sie können nichts falsch machen“, beruhigt Gernot Rücker. Der Fachmann öffnet eine Defi-Tasche, nimmt zwei Pads heraus. Auf dem Defi sind per Zeichnung die Positionen der Pads am Körper gekennzeichnet. Anschalten des Defis. Ab jetzt übernimmt der Defibrillator das Kommando. Er stellt die Diagnose (Herzstillstand oder Kammerflimmern), gibt Anweisungen zum Stromstoß oder zur Herzdruckmassage und Beatmung. Es wird sogar der Takt der Massage vorgegeben. Lebensrettung, bis der Rettungsdienst übernimmt.
Wer wissen will, wo ein Defibrillator zu finden ist, der kann sich die App „MV schockt“ auf das Handy laden. Die App erkennt den eigenen Standort und zeigt die in der Nähe befindlichen „Automatisierten Externen Defibrillatoren“ (AED) an. Es gibt Informationen rund um das Thema „Plötzlicher Herztod“ und mithilfe der App kann sofort der Notruf abgesetzt werden.

Was aber bringt ein Defibrillator in einem Unternehmen? Können alle Mitarbeiter damit umgehen? „Ab einer bestimmten Größe eines Unternehmens ist ein Defibrillator vorgeschrieben. Ansonsten werden die Betriebe sensibel, wenn bei ihnen schon ein Notfall geschehen ist“, sagt Gernot Rücker. Ein Defi in einem Betrieb setzt Schulung in der Wiederbelebung voraus. Er ist Teil des Schulungsprozesses, erklärt der Fachmann. Diese Schulung führe zu einem Umdenken und die Hemmschwelle wird überwunden. Es gäbe verschiedene Ängste in einem Notfall: beispielsweise die Angst, etwas falsch zu machen und auch Ekel. „Die Angst kann durch Schulung überwundenwerden. Besonders effektivist es, bereits in der präpubertären Phase bei Schülern damit zu beginnen“, informiert Gernot Rücker.

„Dieser Moment, Leben zu retten, muss nicht mit Angst und Panik besetzt sein.“ 


Gernot Rücker, Leiter der RoSaNa

Pilotprojekt „Retten macht Schule“

Damit ist der Mediziner bei einem seiner Spezialgebiete. Laut Studien seiner Abteilung, der Klinik für Anästhesiologie, sind bereits Schüler der 7. Klasse dazu in der Lage, Leben durch Wiederbelebung zu retten. Seit 2014 betreut er das Pilotprojekt „Retten macht Schule“ in M-V. „Die Angst, eine Wiederbelebung durchzuführen, ist vor dem Erreichen der Pubertät noch nicht da, aber die geistigen und körperlichen Fähigkeiten sind schon vorhanden“, hat der Arzt mit seinem Forschungsteam festgestellt.

Ab der 7. Klasse ist die Wiederbelebung mittels einer Doppelstunde im Unterricht in ganz M-V vorgesehen. 60 000 Schülerinnen und Schüler seien seitdem über die Lehrer in diesem Notfall ausgebildet. Gernot Rücker obliegt die deutschlandweite Koordinierung dieses Projektes beim Deutschen Rat für Wiederbelebung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat nach seinen Studien den Beginn der Schüler-Schulung zum Thema Wiederbelebung ab zwölf Jahren empfohlen.

„So eine Doppelstunde ist sehr effektiv. Ein Erste-Hilfe-Kurs dauert neun Stunden. Die Wiederbelebung ist nur ein Teil davon. Dafür aber der wichtigste“, so Rücker. Der Notfall-Experte betont auch noch, dass mit dem Erreichen der 12. Klasse oder des entsprechenden Alters alle Jugendlichen in der Regel mit diesem Thema vertraut wären.

Dieser Moment, wenn man helfen muss, um Leben zu retten, muss nicht mit Angst und Panik besetzt sein. Ein Defibrillator rettet kein Leben: er ist der Helfer. Und retten kann jeder. Darauf sollte man stets vorbereitet sein.