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Fit & Gesund 2018

Gesundheitscheck im „Raumlabor“

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Im sogenannten Präventiometer des Gelenkbusses starten die Greifswalder Studien-Schwester Doris Jaeschke (l.) und die Koordinatorin des Projektes, Carmen Söhnel, einen Testlauf für den außergewöhnlichen Gesundheitscheck. FOTOS (3): CHRISTIAN RÖDEL

Fit & Gesund 2018

Von Volker Penne Greifswald. Der Untersuchungsraum ist in warmes, blaues Licht getaucht. In einer Art Kugel – das futuristisch anmutende Gerät ist ein sogenanntes Präventiometer – hat Carmen Söhnel auf einem bequemen Sessel Platz genommen. Am linken Oberarm trägt sie eine Manschette, damit soll ihr Blutdruck gemessen werden. Zudem wurden ihr ein Fingerclip zur Bestimmung der Sauerstoffsättigung des Blutes und des Pulses sowie eine Manschette zur Bestimmung des Körperfettanteils angelegt.Auf dem riesigen, kreisförmigen Bildschirm startet vor der 43-jährigen Projektkoordinatorin eine Computersimulation für einen außergewöhnlichen Gesundheitscheck. Diese hat die Greifswalder Studien-Schwester Doris Jaeschke (50), die neben ihr an einem kleinen Monitor arbeitet, für einen Probelauf aktiviert.

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Artikel veröffentlicht: Dienstag, 20.03.2018 14:00 Uhr

Gesundheitscheck im „Raumlabor“-2

Was für den Betrachter futuristisch anmutet, soll in einigen Tagen von Mitarbeitern kleiner mittelständischer Firmen und öffentlicher Einrichtungen im Nordosten nutzbar sein. Doris Jaeschke und Carmen Söhnel gehören zum sogenannten PAKt-MV-Team (siehe Kasten) der Unimedizin Greifswald. Dahinter steckt ein Konzept der mobilen Gesundheitsförderung im ländlichen Raum. Auf den Gesundheitscheck folgt die Möglichkeit zu einem virtuellen Coaching.

Das Präventiometer befindet sich in einem von vier modernen Untersuchungsräumen. Der Clou: Ein von außen eher unscheinbarer Gelenkbus beherbergt die innovative Ausrüstung für den interaktiven Gesundheitstest. Das 18,75 Meter lange Gefährt ist deutschlandweit einzigartig und gilt als Sonderfahrzeug.

Mit seinem top ausgestatteten Bus rollt das PAKt-MV-Team vor die „Haustür“ der Firmen. Deren Belegschaft wird zum Vorsorgecheck gebeten.

Noch hat es zur Komplettierung der komplexen technischen Infrastruktur einen Platz neben der Mensa der Uni-Medizin Greifswald am Berthold-Beitz-Platz in der Hansestadt.

„Doch in Kürze rollen wir im Routinebetrieb los. 15 Firmen im Bereich Vorpommern haben sich bereits angemeldet“, sagt Prof. Reiner Biffar (61). Man halte quasi vor der Haustür der Arbeitnehmer, „die damit eine Möglichkeit für einen Vorsorgecheck erhalten“, erläutert der Direktor der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik, Alterszahnheilkunde und medizinische Werkstoffkunde der Unimedizin Greifswald.

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Das PAKt-MV-Team steht vor dem „Schlenki“ bereit: Prof. Carsten Oliver Schmidt (v. l.), Doris Jaeschke, Carmen Söhnel und Prof. Reiner Biffar.

Gemeinsam mit Prof. Carsten Oliver Schmidt vom Institut für Community Medicine, das sich unter anderem mit der Entstehung und dem Verlauf von Krankheiten in der Region befasst, leitet er das mit EU-Mitteln geförderte Projekt. Die wissenschaftliche Begleitung ist laut Prof. Schmidt unerlässlich. „Wir müssen als universitäre Einrichtung ein solches Angebot auf seine Leistungsfähigkeit für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Gesellschaft hin evaluieren“, erklärt der Wissenschaftler.

Praktisch erwartet den Probanden ein Check-up, der mindestens 30 Minuten dauert. Er soll die individuellen Risikofaktoren des Teilnehmers aufzeigen. Entsprechend dem mit den Firmeninhabern vereinbarten Testumfang können bis zu zwölf Untersuchungen am Tag erfolgen.

„Dazu gehören unter anderem das Messen von Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung des Blutes, eine Körperfettanalyse, ein Ruhe-Elektrokardiogramm, eine Ultraschalluntersuchung der Leber sowie ein Hör- und Sehtest“, erklärt Doris Jaeschke.

Rund 300 Frauen und Männer haben sie und ihre Kollegen im Rahmen einer sogenannten Validierungsstudie und mehrerer Auftritte bei öffentlichen Einrichtungen im Bus bereits gecheckt. Zudem waren sie beispielsweise bei der IHK Schwerin und der Stadt Greifswald vor Ort.

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Prof. Reiner Biffar – einer der Projektchefs – kann im Bus den Teilnehmern des Checks eine Übersicht zum mit EU-Mitteln geförderten Projekt geben.

Dabei habe man besonders die Exaktheit der Messergebnisse geprüft und Schwachstellen im Kontrollablauf beseitigt. „Die Teilnehmer kommen mit einem Lächeln, weil sie sehr gespannt sind auf die Untersuchung. Und sie gehen auch wieder mit einem Lächeln, weil sie sich wohl und verstanden fühlten“, sagt die seit fast 30 Jahren als Krankenschwester tätige Hansestädterin.

Erfolgt doch nach dem zügigen Ermitteln der Messergebnisse ein individuelles Gespräch mit einem sogenannten Coach. Dieser verweist auf spezielle Risiken und bietet eine aktive Begleitung in Fragen der Gesundheitsverbesserung an. „Dies ist über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr per Telefon oder Internet möglich. Der Arbeitgeber aber erhält grundsätzlich keinen Zugang zu den Daten einzelner Mitarbeiter“, verdeutlicht Prof. Biffar.

Die Vorteile für die Firmenchefs lägen derweil trotzdem auf der Hand. Derartige Angebote in Sachen Vorsorge für die Mitarbeiter erhöhten die Attraktivität der Jobs im Unternehmen. Und die mögliche Verringerung der Krankentage (siehe Kasten) beeinflussten das Betriebsergebnis positiv, erläutert der Fachmann.

Am kommenden Montag, dem 19. März, können sich Firmenchefs übrigens in Lubmin bei Greifswald über den außergewöhnlichen Vorsorgecheck und Folgeangebote informieren. Das PAKt-Bus-Team ist mit dem „Schlenki“ dort den ganzen Tag vor Ort.

EU-Fördermittel

PAKt-MV steht für eine „mobile Prävention und Gesundheitsförderung für Arbeitnehmer zur Reduktion von Krankheitstagen und Berufsunfähigkeit durch Motivation und Verhaltensänderung“. Das Projekt wird vom Wirtschaftsministerium des Landes MV mit Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in Höhe von 2,25 Millionen Euro gefördert. Die Projektlaufzeit ist bis 2020 konzipiert.

Die Arbeitnehmer in MV belegen laut Schweriner Wirtschaftsministerium im Deutschlandvergleich bundesweit seit Jahren einen Spitzenplatz, was die krankheitsbedingten Fehltage anbelangt. Beschäftigte bleiben aus gesundheitlichen Gründen durchschnittlich jährlich etwa 20 Tage ihrem Arbeitsplatz fern. Das liegt über dem bundesdeutschen Durchschnitt von etwa 15 Tagen.

Ergebnisse erhält nur der Teilnehmer

Was passiert mit den Daten des Check-ups?

Der Datenschutz hat beim Projekt oberste Priorität. Allein der Teilnehmer erhält die ermittelten Fakten, der Arbeitgeber hat hier grundsätzlich keinen Zugang.

Was geschieht, wenn ein ernsthafter Krankheitsverdacht vorliegt?

Diese Vorsorgemaßnahme ersetzt keine haus- oder fachärztliche Untersuchung. Werden kritische Werte festgestellt, beispielsweise beim Blutdruckmessen oder Testen der Lungenfunktion, wird dem Betreffenden die Empfehlung gegeben, sich beim Arzt seines Vertrauens vorzustellen.

Was kostet denn die Teilnahme an diesem mobilen Gesundheitstest?

Das hängt vom Arbeitgeber ab, wie er den Vertrag mit dem PAKt-Bus-Team gestaltet. Grundsätzlich sind bestimmte betriebliche Gesundheitsfördermaßnahmen bis 500 Euro pro Mitarbeiter und Jahr steuerfrei. Es ist in der Praxis auch denkbar, dass der Mitarbeiter einen kleinen Obolus für den Check zahlt.